Der „Wasserträger“ Viktor Orbáns

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János Áder, Gründungsmitglied der Partei Fidesz von Premier Orbán, ist designiertes Staatsoberhaupt. Die Opposition will die Wahl im Parlament boykottieren.

Budapest. János Áder, designierter ungarischer Staatspräsident, gilt als trocken, zurückhaltend und spröde. In Sachen Habitus ist er also das genaue Gegenteil von Premier Viktor Orbán, der mit seinen rhetorischen Fähigkeiten und seinem Charisma die Massen immer wieder in Wallung zu versetzen vermag. Angesichts seiner scheinbar emotionslosen Persönlichkeit war der politische Lebensweg Áders denn auch von Anfang an vorgezeichnet: Statt vor Hunderttausenden Brandreden zu halten oder in der Menge zu baden, hat er sich über weite Strecken im Hintergrund als penibler Arbeiter und Wasserträger Orbáns hervorgetan.

Nachdem die heutige konservative Regierungspartei Fidesz nach einer verheerenden Wahlniederlage im Jahr 1994 – damals noch als liberale Kraft – in Trümmern gelegen war, war es nicht zuletzt Áder, dem es mit Organisationstalent gelang, aus dem Fidesz eine schlagkräftige Partei zu formen. 1998 gewann der Fidesz auch prompt die Wahlen.

Während Orbán zum ersten Mal Premier wurde, bekleidete Áder vier Jahre lang das Amt des Parlamentspräsidenten – ein Amt, in dem er sich sichtlich wohlfühlte. Es kam sogar wiederholt vor, dass der studierte Rechtsgelehrte seiner eigenen Partei die Leviten las, wenn ihm beim Gesetzgebungsprozess etwas missfiel.

Áder, der quasi zum „harten Kern“ der Partei um Viktor Orbán gehört hatte, erlebte bei den Wahlen 2002 den ersten großen Dämpfer seiner Politkarriere. Als Fidesz-Wahlkampfchef wurde nicht zuletzt ihm die damalige Wahlniederlage seiner Partei in die Schuhe geschoben. Wenig später folgte aber sein Polit-Comeback.

Garant für „Sicherheit“

2006 überwarf er sich während des Wahlkampfs zu den Parlamentswahlen mit Orbán. Áder gab sich in der Folge unversöhnlich, die Kluft zwischen den einstigen Weggefährten wurde immer tiefer. 2009 ließ sich Áder bei der Europawahl ins Europäische Parlament wählen.

Scheinbar hat Orbán Áder jetzt aber früheres Ungemach verziehen. Der Premier betonte, dass der 52-Jährige als Staatsoberhaupt dem Land „Sicherheit und Berechenbarkeit“ verleihen könne. Die Opposition will die Wahl boykottieren. Man wolle keinen Parteipolitiker als Staatsoberhaupt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2012)

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